Inhaltsübersicht
I Einführung
II Fachwissenschaftliche Perspektiven auf den Sport
4. Anatomie und Physiologie von Körper und Bewegung
5. Struktur sportlicher Bewegung – Grundlagen der Sportmechanik
8. Koordination sportlicher Bewegungen – Sportmotorik
9. Individuum und Handeln – Sportpsychologie
10. Sport in Geschichte und Gesellschaft
11. Sport in Wirtschaft und Gesellschaft
12. Geschichte der körperlichen Erziehung
13. Erziehung und Bildung – Sportpädagogik
14. Lehren, Lernen und Unterrichten im Sport – Sportdidaktik
15. Sportmotorische Fähigkeiten und sportliche Leistungen – Trainingswissenschaft
III Grundlagenthemen in Sport und Sportwissenschaft
18. Sportspiele – Entwicklung, Strukturen und wissenschaftliche Perspektiven
19. Sportspiele – Leistungsfaktoren
23. Doping und Enhancement im Sport
I Einführung
1. Konzeption des Lehrbuchs
Das Lehrbuch für das Sportstudium ist in der ersten Auflage 2013 erschienen. Es wurde von den Studierenden und Lehrenden in den verschiedensten Studiengängen Sport sowie Aus- und Fortbildungseinrichtungen angenommen und gilt als das zentrale Studien- und Lehrbuch für Sport und Sportwissenschaft im deutschsprachigen Raum. Seine Konzeption hat sich bewährt. Sie wird deshalb auch im Grundsatz für die zweite Auflage beibehalten, aber teilweise in kürzere Kapitel aufgegliedert und mit zusätzlichen didaktischen Elementen und Lernhilfen angereichert, z. B. den Flashcards, Erklär-Videos und dem Glossar. Der moderne Sport ist von Wachstum und Differenzierung in den vielfältigen Formen des Sporttreibens im Sportunterricht, Freizeit-, Breiten-, Fitness-, Gesundheits-, Wettkampf- und Spitzensport gekennzeichnet. Den verschiedenen Facetten des Sports hat sich die sportwissenschaftliche Forschung gewidmet und kontinuierlich neue Erkenntnisse hervorgebracht. Von den in der Praxis Berufstätigen werden in den verschiedenen Feldern im Sport zusehends veränderte und differenzierte theoretische und praktische Kompetenzen erwartet. Diese Differenzierungsprozesse schlagen sich auch in der Lehre in den Sportstudiengängen und in unterschiedlichen Schwerpunkten und Profilbildungen nieder. Gleichwohl haben und behalten Sport und Sportwissenschaft einen identitätsstiftenden inhaltlichen Kern. Diese Gemeinsamkeit erhält gerade im Bologna-Prozess besondere Bedeutung, in dem die 47 Teilnehmerstaaten die europaweite Vereinheitlichung und gegenseitige Anerkennung der Studienabschlüsse in der zweistufigen Bachelor- und Masterstruktur vereinbart haben. Das Lehrbuch für das Sportstudium bündelt den aktuellen Stand der Forschung zu den wesentlichen Themen und Inhalten, die, vor allem in der Bachelorphase, den gemeinsamen Kanon der verschiedenen sportwissenschaftlichen Studiengänge bilden – sozusagen ein Kerncurriculum des Sportstudiums. Wie wichtig dieses Kerncurriculum ist, zeigt sich gerade in jüngster Zeit angesichts der weiter fortschreitenden Differenzierung der Sportentwicklung und der Studien- und Ausbildungsgänge mit Bezug zu Bewegung, Spiel, Sport, Fitness, Gesundheit, Gymnastik und körperlicher Erziehung.
2. Die Wissenschaft vom Sport
In Deutschland kann man Sportwissenschaft entweder an einer Universität oder an der Deutschen Sporthochschule in Köln studieren. Bevorzugtes Studienziel ist sehr häufig der Abschluss für das Lehramt an Schulen, aber es gibt inzwischen auch eine ganze Reihe weiterer beruflicher Perspektiven für Absolventen der verschiedenen Studiengänge Sport, beispielsweise im Gesundheits- und Rehabilitationsbereich, im Breiten- und Freizeitsport in Sportvereinen, in Sportverbänden oder gewerblichen Sporteinrichtungen, auch in der Sportindustrie und im Sporthandel, und nicht zuletzt im Bereich des Leistungs- und Wettkampfsports. Darüber hinaus werden an Fachhochschulen und Fachschulen spezielle, sich gewöhnlich auf Teildisziplinen der Sportwissenschaft beschränkende Studien- bzw. Ausbildungsgänge angeboten. Die Besonderheit des Sportstudiums an einer Universität besteht darin, dass es sich um ein wissenschaftliches Studium handelt, d. h., es wird von den Studierenden nicht nur verlangt, dass sie praktisch Sport treiben, sondern dass sie sich auch theoretisch mit der Wissenschaft vom Sport in ihrer ganzen Bandbreite auseinandersetzen. Ein Sportstudium ist somit wie jedes andere universitäre Fachstudium vor allem ein wissenschaftliches Studium.
3. Forschendes Lernen im und nach dem Studium – Theorien, Forschungsmethoden und wissenschaftliches Arbeiten
In diesem Kapitel werden grundlegende Aspekte wissenschaftlicher Forschungsmethoden und -methodologien vorgestellt. Ausgangspunkt hierfür sind der Gegenstand bzw. der Gegenstandsbereich und die Verortung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Des Weiteren werden zentrale Begriffe wissenschaftlichen Arbeitens erläutert, Hinweise zur Planung, Durchführung und Auswertung wissenschaftlicher Studien gegeben sowie Datenerhebungsverfahren vorgestellt. Zur einleitenden Verdeutlichung dient die nachfolgend beschriebene Reise auf der Insel der Forschung.
II Fachwissenschaftliche Perspektiven auf den Sport
4. Anatomie und Physiologie von Körper und Bewegung
Ohne Kenntnisse der Anatomie des menschlichen Körpers sowie jener physiologischen Prozesse, die während sportlicher Belastung ablaufen, ist ein grundlegendes Verständnis des Trainings und der Leistungsfähigkeit von Athleten kaum denkbar. Auch Genese und Prävention von Sportverletzungen werden erst auf einer derartigen Basis plausibel.
5. Struktur sportlicher Bewegung – Grundlagen der Sportmechanik
Der Stabhochsprung ist zweifellos durch einen sehr komplexen Bewegungsablauf charakterisiert. Ist es möglich, sinnvoll und notwendig, diesen Bewegungsablauf in Teilbewegungen (Bewegungsphasen) zu „zerlegen“ und somit zu strukturieren? Welche mechanischen und biologischen Grundlagen sind dafür notwendig? Mit welchen Methoden kann man solche Strukturierungen und Analysen vornehmen und quantifizieren? In diesem Kapitel sollen die Grundlagen zur Beantwortung dieser Fragen geschaffen werden.
Unter Bewegung versteht man die Änderung der Position und/oder Lage eines Körpers im Raum. Bewegungen können nur stattfinden, wenn Kräfte auf den Körper einwirken. Im Fall von Bewegungen des Menschen können das innere Kräfte (zumeist Muskel-Sehnen-Komplexe) oder äußere Kräfte (z. B. Gravitation, Reibung, Zentrifugalkraft) sein. Der menschliche Körper hat durch seine große Anzahl an Gelenken ein hohes Maß an Bewegungsmöglichkeiten (Freiheitsgrade). In Abstimmung mit den äußeren Kräften sind diese Bewegungen das Ergebnis des Zusammenspiels von Zentralnervensystem (supraspinale und spinale Strukturen) und Muskelskelettsystem (Muskeln, Sehnen und Bänder). Daneben sind Bewegungen aber auch durch die Mechanik des Körpers und die Interaktion mit der Umgebung bestimmt. Sowohl für das grundlegende Verständnis als auch für das Lehren und Lernen sportlicher Bewegungen ist es notwendig und hilfreich, diese unter einem strukturellen Aspekt zu betrachten. Die Sportbiomechanik und spezifische Bereiche der Bewegungswissenschaft liefern dafür die einschlägigen Grundlagen und sollen hier aufgearbeitet werden.
6. Mechanik, Belastbarkeit, Struktur und Funktionen biologischer Materialien – Sehnen, Bänder, Knochen, Knorpel und Muskeln
Der menschliche Organismus besteht aus verschiedenen Bindegewebsarten, denen u. a. wichtige verbindende, schützende und stützende Funktionen zukommen. Hierfür haben sich spezielle Bindegewebsformen entwickelt, die sich hinsichtlich mechanischer, anatomischer und physiologischer Aspekte stark unterschieden. In diesem Kapitel werden einerseits die Mechanik und Belastbarkeit der biologischen Materialien Sehnen, Bänder, Knochen, Knorpel und Muskel beschrieben, andererseits werden die Strukturen und Funktionen des menschlichen Stütz- und Bewegungsapparates vorgestellt und diskutiert.
7. Sportmedizin
Wenn wissenschaftliche Disziplinbezeichnungen sich aus zwei Begriffen zusammensetzen, bezeichnet meist der zweite Teil des Wortes die Mutterdisziplin. Dazu passt, dass die Sportmedizin ihren Ursprung im klinischen Bereich der Sportlerversorgung hat, am sichtbarsten in der Sporttraumatologie. Dennoch zählen traditionell auch leistungsphysiologische Inhalte und trainingssteuernde Verfahren zu den sportmedizinischen Schwerpunkten. So stellen (ergometrische) Belastungsuntersuchungen und ihre adäquate Auswertung wichtige Aspekte des Alltags in der Sportmedizin dar.
8. Koordination sportlicher Bewegungen – Sportmotorik
Die Sportmotorik befasst sich mit den inneren Kontrollmechanismen, die äußerlich sichtbarem Bewegungsverhalten zugrunde liegen, sowie mit Veränderungen dieser Mechanismen auf verschiedenen Zeitskalen, nämlich Prozessen der Adaptation (Minuten/Stunden), des Lernens (Tage/Wochen) und der Entwicklung (Jahre/Lebensaltersabschnitte). Das Kapitel untergliedert sich vor diesem Hintergrund in zwei Abschnitte. Im Zentrum des ersten Abschnitts zur motorischen Kontrolle stehen die mit Beginn des Computerzeitalters aufblühenden kognitiven Ansätze, die zum Ende des 20. Jahrhunderts aufkommenden systemischen Ansätze des Konnektionismus, der dynamischen Ansätze der Jetztzeit. Hierauf aufbauend werden im zweiten Abschnitt Leistungsmerkmale zur Bestimmung von Koordinationsveränderungen behandelt, Lernprozesse erörtert, die aus der Verstärkung guter Ausführungen, der Verarbeitung relevanter Informationen oder positivem Transfer von Bewegungserfahrungen resultieren, und schließlich Entwicklung als hoch interaktiver Prozess diskutiert, der lebensspannenbezogene Veränderungen der Motorik in Abhängigkeit von Lern-, Reifungs- und Wachstumsvorgängen betrifft und dabei auch Wechselwirkungen mit höheren kognitiven Funktionen einschließt.
9. Individuum und Handeln – Sportpsychologie
Welche Wahrnehmungsprozesse laufen in einem Sportspiel wie ab? Wie und wann fällt z. B. die Entscheidung für Passen oder Torschuss? Wie entsteht Angst im Turnunterricht, und wie lässt sie sich abbauen? Wie kann man erreichen, dass sich Menschen einen bewegungsaktiveren Lebensstil aneignen? Fördert Schulsport die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen? Welche Persönlichkeitsmerkmale weisen erfolgreiche Sportler auf? Auf welche Art und Weise gelingt es dem Menschen, Neues zu lernen? Wie verändert sich der Mensch im Lebenslauf, wie lassen sich diese Veränderungen erklären, und welche Rolle spielen dabei sportliche Aktivitäten? Wie muss ein Fußballteam zusammengestellt werden, damit es möglichst erfolgreich ist? – Mit Fragen dieser Art befasst sich die Sportpsychologie. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die wichtigsten Grundlagen der Sportpsychologie.
10. Sport in Geschichte und Gesellschaft
Pierre de Coubertin (1863–1937), der als Begründer der modernen Olympischen Spiele gilt, gab vor den ersten Spielen 1896 in Athen folgende Erklärung ab: „Unser Gedanke, eine seit so vielen Jahrhunderten verschollene Einrichtung wieder aufleben zu lassen, ist folgender: Die Athletik hat eine Bedeutung erhalten, die von Jahr zu Jahr noch zunimmt. Ihre Rolle scheint in der modernen Welt ebenso beträchtlich und ebenso dauerhaft sein zu sollen, wie sie es in der Antike gewesen ist. Außerdem erscheint sie mit neuen Wesenszügen wieder; sie ist international und demokratisch, folglich den Ideen und Bedürfnissen der Gegenwart angepasst. Aber heute wie ehedem wird ihre Wirkung heilsam oder schädlich sein, je nach dem Nutzen, den man aus ihr ziehen, und der Richtung, in die man sie einpendeln wird. Die Athletik kann die edelsten wie die niedrigsten Leidenschaften ins Spiel bringen; sie kann Uneigennützigkeit und Ehrgefühl genauso entwickeln wie Geldgier; sie kann ritterlich oder verderbt, männlich oder roh sein. Schließlich kann man sie genauso gut verwenden, den Frieden zu festigen wie Krieg vorzubereiten. Aber: Adel der Gefühle, Pflege von Uneigennützigkeit und Ehre, ritterlicher Geist, männliche Energie und Friede sind das erste natürliche Bedürfnis moderner Demokratien, mögen sie republikanisch oder monarchisch sein“ (Coubertin, 1894/1987, S. 24 f.)
11. Sport in Wirtschaft und Gesellschaft
Jedes Wochenende treffen sich Tausende von Sporttreibenden auf Sportplätzen und in Sporthallen. Während der Woche bereiten sie sich mittels systematischen Trainings darauf vor, sich gegen andere in einen Wettbewerb einzutreten. Das Ziel des Wettbewerbs ist, Sieger zu werden und viele nehmen teil, wohl wissend, dass pro Wettkampf nur einer der Beteiligten das Positionsgut „Sieger“ erringen kann.
Betrachtet man genauer, was sie dabei tun, stellt man fest, dass sie z. B. versuchen, einen Ball durch einen Ring hindurch in ein Netz zu befördern, das aber unten offen ist. Deshalb fällt der Ball immer wieder hindurch, was die Beteiligten aber nicht davon abhält, dasselbe immer wieder zu versuchen oder, falls die Kontrahenten den Ball kontrollieren, zu versuchen, diese daran zu hindern. In einer anderen, populären Variante versuchen zwei Mannschaften, sich gegenseitig daran zu hindern, einen Ball mit dem Fuß oder dem Kopf in ein Netz zu befördern, welches in einem rechteckigen Rahmen aufgespannt ist. Dieses Netz hat kein Loch weswegen diese Versuche prinzipiell erfolgreicher sein könnten, als im vorherigen Beispiel. Trotzdem nehmen die Beteiligten nach einem geglückten Versuch so schnell wie möglich den Ball immer wieder aus dem Netz, um den gleichen Versuch wieder zu beginnen. Wüsste man nicht, dass es sich bei den Beispielen um Basketball und um Fußball handelt, wäre dieses Handeln nicht zu verstehen. Noch unerklärlicher ist aber offenbar das Verhalten von Menschen, die sich auf einer ovalen Bahn aufstellen, auf einen lauten Knall hin losrennen und dabei versuchen, so schnell wie möglich wieder an der gleichen Stelle anzulangen, an der sie losgelaufen sind.
Ist dies alles schon nur schwer erklärlich, so verwundert es umso mehr, dass andere Menschen, die gar nicht an dem Wettbewerb teilnehmen und damit auch keine Chance haben, als Sieger daraus hervorzugehen Zeit und Geld dafür opfern, ja in Zeiten einer weltweiten Pandemie sogar bereit wären, gesundheitliche Risiken einzugehen, um anderen bei diesen augenscheinlich zwecklosen Bemühungen zuzusehen.
Diese Perspektive auf ein Phänomen, das uns allen sehr vertraut ist, offenbart, dass „Sport“ keineswegs so selbstverständlich ist, wie wir im Alltag häufig annehmen. Dieser sozialwissenschaftlich orientierte Beitrag bemüht sich um ein tieferes Verständnis des Phänomens Sport in der modernen Gesellschaft, indem ein Überblick über unterschiedliche sozialwissenschaftliche Perspektiven auf das Thema ermöglicht werden. Obwohl Sport, wie die Beispiele zeigen, etwas Zufälliges und Willkürliches zu sein scheint, erfüllt er in der modernen Gesellschaft grundlegende Funktionen. Er ist nicht nur fest in Kultur und Gesellschaft verankert, sondern hat auch erhebliche soziale, politische und ökonomische Konsequenzen. Im Folgenden werden deshalb die grundlegenden Strukturen des Sports in Wirtschaft und Gesellschaft dargestellt und damit zu klären versucht, was eigentlich unter Sport zu verstehen ist. Anschließend werden seine wesentlichen gesellschaftlichen und ökonomischen Funktionen verdeutlicht. Nicht zuletzt werden auch sozialwissenschaftliche Theorien erläutert, mit denen versucht wird, den Sport zu erklären und besser zu verstehen.
12. Geschichte der körperlichen Erziehung
„Ein Jahr, bevor ich zur Schule kam, wurde ich, mit knapp sechs Jahren, das jüngste Mitglied des Turnvereins ‚zu Neu- und Antonstadt‘. Ich hatte meiner Mutter keine Ruhe gelassen. Sie war strikt dagegen gewesen. Ich sei noch zu klein. Ich hatte sie gequält, bestürmt, belästigt und umgaukelt. ‚Du musst warten, bis du sieben Jahre alt bist‘, hatte sie immer wieder geantwortet. Und eines Tages standen wir, in der kleineren der zwei Turnhallen, vor Herrn Zacharias. Die Knabenriege machte grade Freiübungen. Er fragte: ‚Wie alt ist denn der Junge?‘ – ‚Sechs‘, gab sie zur Antwort. Er sagte: ‚Du musst warten, bis du sieben Jahre alt bist.‘ Da nahm ich die Hände, ordnungsgemäß zu Fäusten geballt, vor die Brust, sprang in die Grätsche und turnte ihm ein gymnastisches Solo vor! Er lachte. Die Knabenriege lachte. Die Halle hallte vor fröhlichem Gelächter. Und Herr Zacharias sagte zu meiner verdatterten Mama: ‚Also gut, kaufen Sie ihm ein Paar Turnschuhe! Am Mittwoch um drei ist die erste Stunde!‘ Ich war selig. Wir gingen ins nächste Schuhgeschäft. Abends wollte ich mit den Turnschuhen ins Bett.
Am Mittwoch war ich eine Stunde zu früh in der Halle. Und was, glaubt ihr, war der Herr Zacharias von Beruf? Lehrer war er, natürlich. Seminarlehrer. Als Seminarist wurde ich sein Schüler. Und er lachte noch so manches Mal, wenn er von unserer ersten Begegnung sprach. Ich war ein begeisterter Turner und wurde ein ziemlich guter Turner. Mit eisernen Hanteln, mit hölzernen Keulen, an Kletterstangen, an den Ringen, am Barren, am Reck, am Pferd, am Kasten und schließlich am Hochreck. Das Hochreck wurde mein Lieblingsgerät. Später, viel später. Ich genoss die Schwünge, Kippen, Stemmen, Hocken, Grätschen, Kniewellen, Flanken und, aus dem schwungvollen Kniehang, das Fliegen durch die Luft mit der in Kniebeuge und Stand abschließenden Landung auf der Kokosmatte. Es ist herrlich, wenn der Körper, im rhythmischen Schwung, leichter und leichter wird, bis er fast nichts mehr zu wiegen scheint und, nur von Händen schmiegsam festgehalten, in eleganten und fantasievollen Kurven eine biegsame und feste Eisenstange umtanzt!
Ich wurde ein ziemlich guter Turner. Ich glänzte beim Schauturnen. Ich wurde Vorturner. Aber ein sehr guter Turner wurde ich nicht. Denn ich hatte Angst vor der Riesenwelle! Ich wusste auch, warum. Ich war einmal dabei gewesen, als ein anderer während einer Riesenwelle, in vollem Schwung, den Halt verlor und kopfüber vom Hochreck stürzte. Er wurde ins Krankenhaus gebracht. Und die Riesenwelle und ich gingen einander zeitlebens aus dem Wege. Das war eigentlich eine rechte Blamage, und wer blamiert sich schon gern? Doch es half nichts. Ich bekam die Angst vor der Riesenwelle nicht aus den Kleidern. Und so war mir die Blamage immer noch ein bisschen lieber als ein Schädelbruch. Hatte ich recht? Ich hatte recht. […]
Ich turnte, weil meine Muskeln, meine Füße und Hände, meine Arme und Beine und der Brustkorb spielen und sich bilden wollten. Der Körper wollte sich bilden wie der Verstand. Beide verlangten, gleichzeitig und gemeinsam, ungeduldig danach, geschmeidig zu wachsen und, wie gesunde Zwillinge, gleich groß und kräftig zu werden. Mir taten alle Kinder leid, die gern lernten und ungern turnten. Ich bedauerte alle Kinder, die gern turnten und nicht gern lernten. Es gab sogar welche, die weder lernen noch turnen wollten! Sie bedauerte ich am meisten. Ich wollte beides brennend gern. Und ich freute mich schon auf den Tag, an dem ich zur Schule kommen sollte. Der Tag kam, und ich weinte. […]“ (Kästner, 2001, S. 49 f.).
13. Erziehung und Bildung – Sportpädagogik
Das Kapitel zur Sportpädagogik befasst sich in sechs Schritten mit Fragen von Erziehung und Bildung im Sport. Zunächst werden die zentralen Begriffe Erziehung und Bildung erläutert. Neben den Voraussetzungen von Bewegung, Spiel und Sport als pädagogischem Handlungsfeld geht es dabei um die pädagogische Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden sowie um die Person und Kompetenz von Sportlehrkräften. Auf dieser Grundlage wird die Sportpädagogik als Wissenschaft von Erziehungs- und Bildungsprozessen im Sport konkretisiert. Im Folgenden werden sechs Begründungen vorgestellt, die sportpädagogisches Handeln in unterschiedlichen Feldern legitimieren. Aus verschiedenen fachwissenschaftlichen Perspektiven geht es dabei um anthropologische, entwicklungstheoretische, bedürfnisorientierte lebensweltliche, kompensatorische und schulkulturelle Zugänge. Es folgt die Darstellung von acht zentralen sportpädagogischen Handlungsfeldern. Im Einzelnen sind dies Familie, Eltern-Kind-Turnen und Kindergarten, Schule, Ganztagsschule, Sportverein, Kinder- und Jugendhilfe, kommerzielle Sportanbieter, selbstorganisierter Sport und Sportangebote für Erwachsene. Abschließend werden ausgewählte Aspekte sportpädagogischer Forschung vorgestellt, wobei sowohl theoretische und empirische als auch normative und deskriptive Ansätze in schulischen und außerschulischen sportpädagogischen Kontexten thematisiert werden.
14. Lehren, Lernen und Unterrichten im Sport – Sportdidaktik
Lehren, Lernen und Unterrichten sind die Gegenstandsfelder der sportwissenschaftlichen Teildisziplin Sportdidaktik. Beeinflusst von Entwicklungen der Allgemeinen Didaktik und gekennzeichnet durch Debatten um Positionen, um welchen Gegenstand es gehen soll und welche didaktischen Konsequenzen aus den Erkenntnissen der Sportwissenschaft zu ziehen sind, zeigt sich die Sportdidaktik als facettenreiche Disziplin.
Vorläufer der Sportdidaktik ist die Theorie der Leibeserziehung. Auf die bildungstheoretische argumentierende Erziehung, die am Leib ansetzt, folgte die Sportdidaktik, deren Referenz der außerschulische Sport ist, auf den es junge Menschen vorzubereiten gilt. In der Sportdidaktik wird insbesondere im Bereich der schulsportdidaktischen Diskussion seit 50 Jahren intensiv über normative Vorstellungen (Soll) zur Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport debattiert, wie am Beispiel der Sportdidaktischen Konzepte, den Kompetenzmodellen oder der Lehrplanentwicklung ersichtlich wird. Gleichzeitig hat sich diese Sportdidaktik seit dem Beginn der 1970er-Jahre mit durchaus wechselnden Bezügen zu einer insgesamt intensiv empirisch arbeitenden Wissenschaftsdisziplin entwickelt. Dabei wird im Kontext verschiedener Forschungsthemen versucht, empirische Antworten und Hinweise (Sein) auf normative Fragen, Vorstellungen (Soll) und aktuelle gesellschaftliche und politische Herausforderungen zu liefern. So zeigt sich am Beispiel der zunehmenden Digitalisierung des Lehrens und Lernens im Sport, dass sich die Sportdidaktik nicht den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungen entziehen kann und auch für diese um das Jahr 2020 hochaktuellen Entwicklungen Antworten finden muss.
15. Sportmotorische Fähigkeiten und sportliche Leistungen – Trainingswissenschaft
Trainingswissenschaftliche Kenntnisse sind nicht nur für den Leistungssport von großer Bedeutung, sondern werden von ganz unterschiedlichen Personengruppen vorausgesetzt. Ob die Sportlehrerin den Fitnesskurs für das nächste Schuljahr plant, der Fußballtrainer mit seiner Mannschaft die anstehende Saison vorbereitet oder der Physiotherapeut neuartige Methoden und Trainingskonzepte in den Behandlungsalltag integriert – all diese Situationen müssen differenziert betrachtet werden und erfordern ein übergreifend trainingswissenschaftliches Basiswissen.
III Grundlagenthemen in Sport und Sportwissenschaft
16. Körper und Mensch in der sportlichen Bewegung – ein historischer und philosophischer Überblick zu Leib und Seele
Mens sana in corpore sano – wer hat diesen Spruch nicht schon einmal als Erklärung für das Verhältnis von Körper und Geist oder den Sinn körperlicher Ertüchtigung gehört? Doch steckt „in einem gesunden Körper“ tatsächlich auch „ein gesunder Geist“? Der lateinische Spruch zumindest ist stark verkürzt. Der ganze Satz lautet Orandum est ut sit mens sana in corpore sano und stammt von dem römischen Satiriker Juvenal (ca. 60–127 n. Chr.; 2007, S. 356). Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass wir, statt überzogene Wünsche an die Götter zu stellen, einfach um einen gesunden Geist in einem gesunden Körper bitten sollten. Der Satz „Zu wünschen bleibt, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist wohne“, lässt sich auch als spöttische Kritik an den römischen Zeitgenossen Juvenals interpretieren. Das Verhältnis von Körper und Geist scheint doch komplexer zu sein, als es einfache Weisheiten wie mens sana in corpore sano nahelegen. Im Laufe der Geschichte entstanden ganz unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Vorstellungen zum Verhältnis von Körper und Geist im Menschen. Im Folgenden sollen einige zentrale Ansätze skizziert werden.
17. Leistung und Wettkampf
Jan läuft bei den Vereinsmeisterschaften die 50 Meter in 7,4 Sekunden und wird in einem spannenden Finallauf knapp hinter seinem Freund Sven zweiter Sieger. Auf dem Weg zum Sportfest war er morgens spät dran und konnte nur mit einem schnellen Sprint den Bus gerade noch erreichen. – Im Laufe seines Arbeitstags im Getränkemarkt hebt Herr Sievers 200 volle Kästen Mineralwasser, insgesamt also über zwei Tonnen. Er hat inzwischen Rückenbeschwerden, und sein Arzt hat ihm Ausgleichsübungen verschrieben. Im Fitnessstudio hebt er am Wochenende ebenfalls rund zwei Tonnen an Geräten und Hanteln. – Herr Sievers’ Sohn treibt seit zwei Jahren Kampfsport mit guten Fortschritten. Leider ist er in letzter Zeit mit seiner „Kampfkunst“ auch bei Schlägereien aufgefallen. – Wenn Karina mit dem Hund spazieren geht, muss sie ihm manchmal nachlaufen und dabei geschickt die Hecken zwischen den Gärten überwinden. Abends läuft sie im Leichtathletiktraining elegant über die Hürden.
18. Sportspiele – Entwicklung, Strukturen und wissenschaftliche Perspektiven
Fußball, Handball, Tennis, Volleyball sowie viele andere Sportspiele sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, werden sie doch von vielen Millionen Menschen weltweit aktiv betrieben; in der Rolle des Zuschauers finden sich noch viele hundert Millionen mehr. Beispielsweise spielten im Jahr 2015 in Deutschland über 160.000 Mannschaften Fußball; knapp 10 % entfallen hiervon auf Frauen- und Mädchenmannschaften. Im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) waren 2019 die vier großen Sportspiele mit etwa 8,5 Millionen Mitgliedern vertreten, was über 30 % der Gesamtzahl aller Mitglieder der olympischen Spitzenverbände entspricht; davon haben sich allein etwa 7 Millionen Menschen dem Deutschen Fußball-Bund angeschlossen. Die Spiele der Fußball-Bundesliga werden im Schnitt von fast 400.000 Zuschauern pro Spieltag besucht; die Bundesligaspiele der Saison 2015/16 beobachteten bei Sky über 7 Millionen Menschen, das Endspiel der Handball-EM 2016 über 16 Millionen Zuschauer in Deutschland, das Finalspiel der Fußball-WM 2014 zwischen Deutschland und Argentinien sogar fast 35 Millionen Menschen und den Super Bowl 50 im Jahre 2016 laut „CBS“ 167 Millionen Zuschauer in den Vereinigten Staaten – ein Rekord für das TV-Programm. Mit Blick auf den Schulsport zeigen verschiedene Untersuchungen, dass eine ganze Reihe an Sportspielen in der Hitparade der beliebtesten Schulsportinhalte sowohl bei Schülern als auch bei Lehrkräften ganz vorn stehen (DSB, 2005; Kolb & Wolters, 2001). Im Breiten- und Freizeitsport entwickeln sich immer mehr informelle Sportspielgruppen, an denen Menschen unterschiedlichsten Alters teilnehmen (Woll, 2005; Wopp, 2005). Folglich stellt sich die Frage, was denn am Sportspiel so besonders, so attraktiv und so begeisternd ist, dass es viele Menschen immer wieder aufs Neue in seinen Bann zieht – und damit auch die Frage, warum es ein Spezialfall der Spiele, aber auch ein Spezialfall des Sports und der Sportarten ist.
19. Sportspiele – Leistungsfaktoren
Leonie Schwertmann, Nike Lorenz, Timo Boll, Joshua Kimmich, Leon Draisaitl, Uwe Gensheimer oder Angelique Kerber gelingt es scheinbar mühelos, ungewöhnliche, aber auch technisch-taktische Bestlösungen auf dem Spielfeld zu generieren, ganz nach dem Motto: „Just do it!“ Nicht allen Sportlern, unabhängig von ihrem Leistungsniveau, gelingt es aber, optimale motorische Entscheidungshandlungen unter höchstem Zeit-, Präzisions-, Variabilitäts- Belastungs- und Gegnerdruck zu treffen. Hier stellt sich für viele Lehrer und Trainer die Aufgabe, Fehlerquellen angemessen zu analysieren, sie vergleichend zu diagnostizieren und sie abschließend effektiv durch Training zu beheben.
20. Gestalten und Gestaltung
Ob eine in Perfektion geturnte Bewegungsfolge, eine von Gruppenmitgliedern eigens erstellte Choreografie oder ein Bewegungsentwurf aus einer spontanen Idee entsteht, gestalterische Tätigkeiten tauchen in Sport- und Bewegungskulturen in unterschiedlichsten Ausprägungen auf und weisen auf eine lange Theorie- und Praxistradition hin. Sie äußern sich als ästhetisches Verhalten, expressives Hervorbringen, normorientiertes Formgeben oder performatives Präsentsein. Sie unterscheiden sich nach ihren Kontexten, situativen Gegebenheiten und individuellen Gestaltungsabsichten. Nachmachen, Reduzieren, Rhythmisieren, Kontrastieren sowie Verändern und Verfremden sind Prinzipien, die gestalterische Auseinandersetzung erzeugen und unterstützen. Variationen in Raum, Zeit, Kraft und Form kennzeichnen weitere Differenzierungen. Entgegen der verbreiteten Annahme, dass Gestaltungskompetenzen nicht bewertbar sind, liefert dieses Kapitel unterscheidbare Anhaltspunkte für kriterienbezogene Analysen und Beurteilungen.
21. Talente im Sport
Der australische Schwimmtrainer und -forscher Brian Blanksby erzählte 1980 folgende Anekdote über die Auswahl von Talenten im Schwimmsport: „Die erste Talentselektion erlebte ich in der Schule. Als die Klasse in das Schwimmbad marschierte, stand der Trainer bei der Tür, schaute auf den Boden und nahm verschiedene Leute aus der Reihe – diejenigen, die beim Gehen die Füße nach außen stellten. Er ließ sie sich auf das Brustschwimmen konzentrieren. Die Schule war in Wettkämpfen im Brustschwimmen immer sehr erfolgreich“ (S. 13). Ein Journalist stellte Melanie Molitor, Mutter und Trainerin der jüngsten Weltranglistenersten im Tennis, Martina Hingis, die Frage, wann und woran sie das besondere Talent ihrer Tochter entdeckt habe. Sie antwortete: „Was heißt Talent? Ihr Talent war, dass sie so hart arbeiten konnte.“ Im Hochsprungwettbewerb bei den Weltmeisterschaften 2007 siegte Donald Thomas. Er war eigentlich College-Basketballspieler und hatte erst vor 16 Monaten mit einem gezielten Hochsprungtraining begonnen.
22. Sport und Gesundheit
Der Bürgermeister einer kleineren Gemeinde weiß von einem befreundeten Arzt über gesundheitliche Probleme vieler älterer Menschen, die mit dem zunehmenden Bewegungsmangel in Verbindung stehen. Zudem berichtet ihm seine Frau von ihren Erfahrungen als Lehrerin, dass bereits auch viele Kinder motorische Defizite und Übergewicht infolge mangelnder Bewegung aufweisen. Um diesen Problemen entgegenzuwirken und die körperlich-sportliche Aktivität der Bevölkerung in seiner Gemeinde zu steigern, richtet der Bürgermeister einen runden Tisch „Unsere Gemeinde bewegt sich gesund!“ ein. Dazu lädt er den Vorsitzenden des ortsansässigen Sportvereins, den Leiter des Sportamts, die Schulleiter der Schulen, Vertreter der Krankenkassen und der Ärzteschaft sowie interessierte Bürger der Gemeinde ein. Die Zusammensetzung dieser Runde macht deutlich, dass Maßnahmen zur Gesundheitsförderung durch Bewegung die Zusammenarbeit einer ganzen Reihe von Akteuren unterschiedlichster Professionen und Funktionen sowie die Einbeziehung unterschiedlicher kommunaler Bereiche erfordern. Das Beispiel zeigt zudem die Dimensionalität, Intersektoralität, Komplexität und Vernetzung des Themas „Sport und Gesundheit“, das weit über die Grenzen der traditionellen Domänen des Sports – Vereine, Verbände und Schule – hinausgeht.
23. Doping und Enhancement im Sport
Zu Beginn des vorliegenden Kapitels wird das Dopingverbot im Wettkampfsport dargestellt, und die aufgeführten Argumente gegen Doping werden auf ihre Tragfähigkeit hin geprüft. Danach wird der Forschungsstand zum erlaubten und unerlaubten Medikamenteneinsatz innerhalb und außerhalb des Wettkampfsports dargestellt. Es folgt die Skizzierung sozialwissenschaftlicher und ökonomischer Ansätze zur Erklärung des Doping- und Enhancement-Phänomens, wonach Menschen die verschiedensten Mittel anwenden und Maßnahmen ergreifen, um ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Abschließend werden Struktur und Wirkung möglicher präventiver Anti-Doping-Maßnahmen reflektiert, bevor ein kritischer Ausblick das Kapitel beschließt.