Pflanzenanatomischer Grundkurs
ISBN
978-3-662-58718-8

Material und Methoden

Wichtigstes Arbeitsinstrument zur Erforschung der pflanzlichen Anatomie ist das Lichtmikroskop. Die mikroskopische Analyse des Aufbaus von Geweben und von einzelnen Zellen des pflanzlichen Vegetationskörpers erfordert besondere Präparationstechniken. Spezielle Färbemethoden erleichtern die Identifizierung und Charakterisierung der beobachteten Strukturen. Die untersuchten Objekte werden durch wissenschaftliches Zeichnen oder Fotografieren dokumentiert.

Organisationsformen von Pflanzen

Pflanzen sind eukaryotische Organismen, die mithilfe von Chloroplasten eine oxygene Photosynthese betreiben. Ausgehend vom Kriterium der Organisationsform lassen sich Protophyten (einzellige eukaryotische Algen), Thallophyten (mehrzellige eukaryotische Algen, Moose) und Kormophyten (Farne, Gymnospermen, Angiospermen) unterscheiden. Cyanobakterien (Blaualgen), die als Prokaryoten zwar nicht zu den Pflanzen zählen, werden aus historischen Gründen jedoch aufgrund ihrer Pigmentausstattung und ihres Habitus zu den Algen im weiteren Sinne gezählt.

Aufbau und Funktion der pflanzlichen Zelle

Obwohl es eine typische Pflanzenzelle nicht gibt, kann man doch eine Reihe von Merkmalen feststellen, deren Vorhandensein einzeln oder in Kombination mit anderen eine Pflanzenzelle charakterisieren. Dazu gehört der Besitz eines Zellkerns, von Plastiden oder zumindest von Plastidenvorstufen (Proplastiden), einer Zellwand, die überwiegend aus Cellulose und Hemicellulosen besteht, und einer Vakuole. Charakteristisch für lebende Pflanzenzellen und mit dem Mikroskop erfassbar, sind die Plasmaströmung, die bei grünen Pflanzenzellen anhand der passiven Bewegung der Chloroplasten beobachtbar ist, die mitotische Zellteilung (verschiedene Mitosestadien) und die reversible Plasmolysierbarkeit der Zellen.

Pflanzliche Gewebe

Ein pflanzliches Gewebe ist eine Gruppe gleichartig differenzierter Zellen, die durch Teilung auseinander hervorgegangen sind. Bildungsgewebe (Meristeme) bestehen aus Zellen, die sich fortwährend teilen, also den kompletten Zellzyklus durchlaufen, wohingegen die Zellen der Dauergewebe den Zellzyklus verlassen und sich für spezielle Aufgaben differenziert haben.

1. Kurstag: Primäre Meristeme sind schon im Embryo vorhanden und in der Regel lebenslang in der Pflanze aktiv, wohingegen sekundäre Meristeme durch Embryonalisierung (Remeristematisierung) schon ausdifferenzierter Zellen aus Dauergeweben hervorgehen. Als Cambium wird ein Meristem bezeichnet, das aus einer einzigen Lage nebeneinander angeordneter teilungsaktiver Zellen besteht. Als Meristemoide gelten Gruppen von teilungsaktiven Zellen, die durch inäquale Zellteilung aus Zellen eines Dauergewebes hervorgegangen sind.

2. Kurstag: Die Zellen der Dauergewebe unterscheiden sich entsprechend ihrer aufgabenspezifischen Funktionen. Am häufigsten treten Grundgewebe (Parenchyme), Abschlussgewebe (Epidermis, Periderm), Festigungsgewebe (Kollenchyme, Sklerenchyme), Leitgewebe (Xylem, Phloem), Absorptionsgewebe und Drüsengewebe auf.

3. Kurstag: Pflanzliche Abschlussgewebe grenzen den Vegetationskörper entweder nach außen hin als primäre (Epidermis) oder als sekundäre Gewebe (Periderm) ab oder bewirken im Inneren als Endodermis eine funktionelle Gliederung.

Sprossachse I

Die Sprossachse hat die Funktion, die Blätter über das Substrat zu erheben und damit die Ausbildung einer möglichst großen photosynthetisch aktiven Fläche zu ermöglichen. Die im Spross befindlichen Leitungssysteme versorgen die Photosynthese der Blätter mit Wasser (Xylem) und transportieren die durch sie gebildeten organischen Verbindungen ab (Phloem). Ältere verholzte Sprossachsen übernehmen häufig neben der Stützfunktion Speicherfunktionen. Unterirdisch wachsende Sprossachsen werden als Rhizome bezeichnet.

Sprossachse II

Mit dem Einsetzen des sekundären Dickenwachstums zu Beginn der zweiten Vegetationsperiode der Gymnospermen und der dikotylen Angiospermen entwickelt sich deren sekundärer Bau, der charakteristisch für das weitere Leben dieser Pflanzen ist und ein langjähriges Substanzwachstum des Sprosses bei gleichzeitiger Anpassung der Leistungsfähigkeit der Leitgewebe ermöglicht. Das sekundäre Dickenwachstum beginnt mit der Bildung eines geschlossenen Cambiumringes im Sprossquerschnitt, der nach innen sekundäres Xylem (Holz) und nach außen sekundäres Phloem (Bast) produziert. Die dikotylen Angiospermen bilden in Holz und Bast eine größere Zahl verschiedener Zelltypen als die Gymnospermen.

Die Produktion neuen Zellmaterials macht den Ersatz der Epidermis des einjährigen Sprosses durch ein neues mitwachsendes Abschlussgewebe, das Periderm und später die Borke, erforderlich.

Wurzel

Die Wurzel dient der Verankerung der Pflanze im Substrat sowie der Speicherung von Reservestoffen und ist der Teil der Pflanze, mit dem sie hauptsächlich Wasser und darin gelöste Nährstoffe aus ihrer Umgebung aufnimmt. Bei einigen Pflanzengruppen dient die Wurzel auch der vegetativen Ausbreitung oder als Überdauerungsorgan im Winter, wenn die oberirdischen Teile abgestorben sind.

Ebenso wie die Sprossachse wächst die Wurzel mit einem Apikalmeristem, das im Unterschied zum Spitzenmeristem der Sprossachse jedoch keine deutliche Gliederung in Tunica und Corpus aufweist und zusätzlich durch die Wurzelhaube geschützt ist. Im Unterschied zum Spross, der eine Verzweigung durch die Aktivität von Tunica-Zellen, also exogen, initiiert, beginnt die Verzweigung der Wurzel endogen mit der erhöhten Teilungsaktivität von innen liegenden Zellen (Perizykel).

Blatt

Blätter besitzen in der Regel eine flächige Gestalt von verhältnismäßig geringer Dicke, damit möglichst viel Licht effektiv von den Chloroplasten genutzt werden kann. Durch die regulierte Abgabe von Wasserdampf mittels ihrer Spaltöffnungen erzeugen sie einen auf das durch die Wurzel aufgenommene Wasser und die darin gelösten Nährstoffe sprossaufwärts gerichteten Transpirationssog.

Jede Landpflanze bildet im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Blatttypen aus. Als erste treten die Keimblätter (Kotyledonen) auf. Sie sind relativ undifferenziert und bei den meisten Pflanzen sehr ähnlich gestaltet. Wenn der Embryo sich fortentwickelt und auskeimt, werden die Folgeblätter, die typischen Laub-, Gras- und Nadelblätter, welche die überwiegende Masse der Blätter bilden und in typischer Anordnung am Spross inseriert sind, und die Blütenblätter (Kelch-, Kron-, Staub- und Fruchtblätter) gebildet. Eine vergleichende Analyse der Blattanatomie zeigt charakteristische Unterschiede zwischen den Blättern der Mono- und der Dikotyledonen sowie der Nadelbäume auf.

Blüte

Die Blüte dient der Fortpflanzung der Samenpflanzen und besteht aus Blättern mit Spezialfunktionen. Die Zapfenblüten der Nadelbäume sind eingeschlechtlich. Die männlichen Blüten bestehen aus einer Vielzahl von Staubblättern. Die weiblichen Blüten stellen Blütenstände dar, die sich zapfenförmig aus Einzelblüten aufbauen, von denen jede aus einer Fruchtschuppe und einer Deckschuppe besteht. Die Samenanlage ist nicht im Fruchtblatt eingeschlossen, sondern den Pollenkörnern frei zugängig, überwiegend im Zuge einer Windbestäubung. Die ein- oder zweigeschlechtlichen Blüten der Angiospermen besitzen eine Blütenhülle, die bei den Monokotyledonen einheitlich gestaltet (Perigon), bei den Dikotyledonen in Kelch- und Kronblätter aufgeteilt ist. Die Kelchblätter sind meist grün gefärbt. Die Kronblätter haben eine Schutzfunktion und dienen dem Anlocken geeigneter Bestäuber. Dies gilt auch für die Perigonblätter. An der Blütenachse aufwärts folgend stehen die Pollen produzierenden Staubblätter und die Fruchtblätter. Geeignete Pollenkörner keimen auf der Narbe eines Fruchtblatts aus und treiben einen Pollenschlauch durch das Griffelgewebe zu einer Samenanlage, in der dann die Eizelle befruchtet wird.

Samen und Frucht

Ein Samen besteht aus Embryo, Samenschale und meist einem Speichergewebe, das im Embryo oder außerhalb davon gebildet wird. Bei den Gymnospermen liegen die Samen frei auf der Fruchtschuppe, bei den Angiospermen sind sie in einem Fruchtgewebe eingeschlossen.

Als Frucht bezeichnet man eine Einheit, welche die Samen einschließt und durch verschiedene Mechanismen deren Ausbreitung sichert. Früchte können nach dem Aufbau ihrer immer dreischichtigen Fruchtwand klassifiziert werden. Zusätzlich unterscheidet man zwischen Einzelfrüchten, Sammelfrüchten und Fruchtständen. Zur weiteren Klassifizierung kann die Frage dienen, ob sich die Früchte bei Samenreife öffnen (Streufrüchte) oder aber geschlossen bleiben (Schließfrüchte). Streufrüchte lassen sich weiter nach Art des Öffnungsmechanismus bei der Samenreife in Balg-, Hülsen-, Schoten- und Kapselfrüchte unterteilen. Schließfrüchte lassen sich am einfachsten nach der Ausgestaltung der Fruchtwand klassifizieren: Nussfrucht, Steinfrucht und Beerenfrucht. Eine Sonderform der Nussfrucht ist die Karyopse der Gräser. Die Zitrusfrucht stellt eine spezielle Form der Beerenfrucht dar.

Metamorphosen pflanzlicher Grundorgane

Als Metamorphose bezeichnet man in der Botanik Änderungen von Morphologie und Anatomie eines pflanzlichen Grundorgans, die durch die evolutionäre Anpassung an spezifische Umweltbedingungen und die Übernahme neuer oder zusätzlicher Aufgaben bedingt sind.

Metamorphosen können sowohl homologe als auch analoge Strukturen erzeugen. Als homolog bezeichnet man Bildungen, die herkunftsgleich, also aus demselben Grundorgan abgeleitet sind. Ein Beispiel ist die Ausbildung von Dornen, die sich durch Reduktion von Seitensprossen oder Blättern entwickelt haben und eine Anpassung an trockene Standorte bzw. auch einen Fraßschutz darstellen. Bei der Herausbildung analoger Strukturen durch Metamorphose übernimmt dagegen ein Grundorgan die Funktion eines anderen. Ein Beispiel sind die blattartigen Erweiterungen der Haupt- und Nebensprosse, die bei sprosssukkulenten Pflanzen auftreten können, welche häufig ihre Blattoberfläche reduzieren. Hier übernimmt die Ausbildung des Sprosses die Funktion eines anderen Grundorgans, des Blattes.

Pilze und Flechten

Die Pilze (Mycota) stellen neben den Tieren (Animalia) und Pflanzen (Plantae) die dritte große Gruppe der Eukaryonten dar. Als heterotrophe Organismen mit überwiegend parasitischer und saprobiontischer Lebensweise spielen Pilze im ökologischen Kontext eine überragende Rolle als phagozytierende und resorbierende Destruenten, sind wirtschaftlich bedeutende Pathogene von Pflanzen und Tieren und treten als Symbiosepartner mit Algen in Flechten sowie mit den Wurzeln von Landpflanzen in Mykorrhiza auf. Dem Laien begegnen Pilze meist in Form von (essbaren) Hutpilzen, als Konsolen an Bäumen oder als Verursacher von Schorfen, Rosten, Bränden und Mehltau an Kulturpflanzen sowie als Schimmelbildner auf Lebensmitteln.